Re: Nischensysteme (was Re: BeOS)

From: Oliver Fromme <olli(at)secnetix.de>
Date: Fri, 20 Dec 2002 15:30:26 +0100 (CET)

Bernd Walter <ticso(at)cicely8.cicely.de> wrote:
> On Fri, Dec 20, 2002 at 12:47:15PM +1100, Peter Ross wrote:
> > Ich habe seit fuenf Monaten einen Job aqls Debian-Admin, weil FreeBSD
> > als zu exotisch betrachtet wird
> > [...]
>
> Exotisch ist gut.
> Geschichtlich ist eigendlich nur Linux ein Exot.

Nur interessiert sich kein Schwein für die geschichtliche
Entwicklung. Die ist für die Leute, die die Entscheidungen
treffen, praktisch bedeutungslos.

Und leider ist es so, daß in den Firmen (abgesehen von ganz
kleinen) die Entscheidung über den Einsatz eines Betriebs-
systems leider nicht von den Technikern oder Consultants
getroffen wird, die sich dann damit herumplagen müssen.

Die Entscheidungen haben meistens mit Market-shares zu tun,
mit Artikeln in Börsenzeitungen (vielleicht auch in Zeit-
schriften wie der Computerwoche), mit Hochglanzbroschüren
von Hard- und Software-vendors, auf denen man häufig einen
Pinguin hocken sieht (ein Windows-Flatterfenster sowieso,
und oftmals auch ein MacOS-Mondgesicht, aber nur äußerst
selten einen BSD-Daemon). Und mit Zertifizierungen der
Hersteller (»Designed for WindowsXP«, »SuSE certified«,
»Runs with RedHat«), und so weiter und so fort.

Ein Entscheidungskriterium der Management-Ebene ist auch
häufig die Verfügbarkeit von Experten. Einen sogenannten
»Linux-Experten« kann man jederzeit auf der Straße ein-
fangen. Nach Leuten, die sich mit BSD auskennen, muß man
dagegen schon ein bißchen suchen, und nach dem Gesetz von
Angebot und Nachfrage wären die dann auch teurer (was nicht
stimmt, wie man an der Firma sieht, bei der ich arbeite,
aber es ist nunmal so im Bewußtsein der Leute).

Das mag jetzt alles etwas überspitzt formuliert sein, aber
im Grunde genommen ist es genau so. Durch meine Tätigkeit
als Consultant (überwiegend, aber nicht ausschließlich im
BSD-Bereich) habe ich eine Menge Firmen kennengelernt und
weiß, wie das häufig so läuft.

> Ob FreeBSD sicherer oder Stabiler ist als Linux kann ich nicht sagen,
> aber es fällt mir bei FreeBSD wesentlich leichter darauf hinzuarbeiten.

Genau so sehe ich das auch.

> > FreeBSD war zur Einfuehrungszeit, als man vor ca. einem Jahr beschloss,
> > Sun Solaris zu ersetzen, einfach nicht bekannt.
>
> Das passiert, wenn man keine Alternative sucht, sondern einfach die
> erst beste nimmt die sich finded.
> Eine Umstellung sollte man so nun wirklich nicht machen.

Ein großes Hindernis im professionellen Bereich -- gerade
auch bei der Umstellung von Sparc/Solaris -- ist das Fehlen
von anständigen Clusterlösungen bei BSD. Bei Linux gibt es
das Beowulf-Project und (noch besser) MOSIX, mit dem sich
völlig transparente Cluster aufsetzen lassen. So etwas
existiert für BSD nicht. Das dürfte in vielen Fällen aus-
schlaggebend sein.

> > Noch weniger Komplettsysteme, wie Bernd sie erwaehnt. Ich habe sie
> > zugegebenermassen nicht gesucht, aber sie haben sich auch nie
> > "aufgedraengelt".
>
> Aufdrängeln tun sich fertige FreeBSD sicherlich nicht.

Peter hat schon icht ganz unrecht. FreeBSD muß sich zwar
nicht unbedingt »aufdrängeln«, aber es sollte schon in ir-
gendeiner Form sichtbar sein. In vielen Fällen wird ja
BSD nicht einmal in die engere Wahl gezogen, selbst wenn
die Betreffenden mit der Nase darauf gestoßen werden.

Es ist halt doch ein »Exot«, zumindest im Bewußtsein der
meisten Menschen.

> Ist schon erstaunlich, daß in Firmen immer wieder nicht die Lösung im
> Vordergrund steht, sondern der Lösungsweg.
> Warum das blos so ein Problem ist den Lösungsweg den Technikern zu
> überlassen.

In größeren Firmen haben die Technker nicht die alleinige
Entscheidungsgewalt über »ihre« Technik. Da müssen erstmal
Konzepte erstellt werden, die dann einem Review unterzogen
werden, es werden möglicherweise externe Firmen für eine
Bewertung herangezogen, Ausschreibungen gemacht, vielleicht
will das Controlling noch ein Wörtchen mitreden, und die
Geschäftsleitung möchte, daß es »schön bunt« aussieht.

Im Sekretariat steht bereits ein SuSE-PC? Dann fragt der
Chef vertrauensvoll seine Assistentin, ob der dern gut
funktioniert. Wenn ja, kann das ja auch für die neue
Server-Farm so schlecht nicht sein ... Diesen Pinguin
findet sie ganz süß, der sieht mir sogar ein bißchen ähn-
lich ... Und es gibt bereits einen Service-Vertrag mit
SuSE? Genial, dann sparen wir sogar noch Kosten. Einer
der Techniker murmelte was von »BSD« ... nie gehört. Die
Leute vom Einkauf kennen's auch nicht. Gestrichen.

(Mal den advocatus diaboli spielend.)

Gruß
   Olli

PS: Nein, _mir_ sieht Tux nicht ähnlich. :-)

-- 
Oliver Fromme, secnetix GmbH & Co KG, Oettingenstr. 2, 80538 München
Any opinions expressed in this message may be personal to the author
and may not necessarily reflect the opinions of secnetix in any way.
"All that we see or seem is just a dream within a dream" (E. A. Poe)
To Unsubscribe: send mail to majordomo(at)de.FreeBSD.org
with "unsubscribe de-bsd-chat" in the body of the message
Received on Fri 20 Dec 2002 - 15:31:12 CET

search this site