Re: "Stateful" bei RAID

From: Oliver Fromme <olli(at)lurza.secnetix.de>
Date: Mon, 19 Dec 2005 09:42:10 +0100 (CET)

Alvar Freude <alvar(at)a-blast.org> wrote:
> Bernd Walter <ticso(at)cicely12.cicely.de> wrote:
> > [stateful]
> > Aber auch der klassische ccd unter *BSD erfüllt diese Bedingung
> > nicht.
>
> tja, streng genommen ist der Spaß dann ja (fast) wertlos.

Nein, er ist nicht wertlos. Man muß ccd(4) zugutehalten,
daß es gar keine RAID1-Lösung darstellen soll. Ursprüng-
lich war es als reines Concat- und Striping-Tool geplant,
und die Mirroring-Fähigkeit (nicht RAID-1!) wurde dann so
»nebenbei« mit implementiert, weil es erstens nicht schwer
war und zweitens -- theoretisch -- die Performance der
Stripe-Sets verbessern sollte.

Es hat aber nicht den Anspruch, eine RAID1-Implementation
zu sein, und dies wird auch in der Dokumentation deutlich.
Daß ccd(4) häufig in einem Atemzug mit RAID genannt wird,
ist einfach nur irreführend und sollte unterlassen werden.

Nicht alles, was ein Mirror ist, ist ein RAID. Man kann
einen »Mirror« auch _ganz_ anders implementieren, zum Bei-
spiel mit Hilfe einer Journalduplikation, wie es unter
DragonFly BSD möglich ist.

> > Genauso ist die mangelnde Flexibilität sicherlich nicht deshalb so,
> > weil man es so kompliziert wäre einzubauen, sondern eine Maßnahme
> > um den User nicht zu verwirren - der Hauptkundenkreis hat nämlich
> > im Grunde genommen von RAID null Ahnung.
>
> Das ist aber auch nur eine Frage des Interfaces und das ist lösbar. Nur
> sollte man als Hersteller da im Zweifelsfalle jemanden fragen der sich
> damit auskennt -- wenn der unwahrscheinliche Fall zutreffen sollte, dass
> ein Hersteller mitließt: ich helfe gerne aus ;-)

Nein, die einschlägigen Hersteller haben mit Sicherheit das
Know-how, das erforderlich ist. Aber technische Argumente
allein sind -- leider -- nicht entscheidend für das Design
und die Vermarktung von Hardware; das gilt nicht nur für
RAID-Controller.

Ein nicht unerheblicher Faktor ist, was die Masse der Kun-
den haben will, und was man ihnen zu einem wettbewerbs-
fähigen Preis unterjubeln kann. Geiz ist geil, wie jeder
weiß. Entscheidend ist also eigentlich das Know-how der
Kunden, nicht das der Hersteller.

Und in dem Preissegment, worum es hier geht, sind diese
Kunden zu 99% Privatkunden, für die »RAID« ein cooles
Buzzword ist, die aber sonst wenig Plan haben (und zu-
meist Windows). Die Werbung der Hersteller suggeriert,
daß man mit ihren Controllern und billigen IDE/ATA-Fest-
platten ein ausfallsicheres Festplattensystem aufsetzen
kann, das das nervige regelmäßige Backuppen auf DVD-RW
oder sonstwas ersetzt (was eh von den meisten vernach-
lässigt wird). So ein RAID-Dingsbums gibt ihnen also
ein gutes Gefühl (»meine Daten sind sicher«), es ist
bequem (einmal aufgesetzt, nie wieder darum kümmern müs-
sen), und sie können vor ihren Kumpels noch damit angeben
(»ich habe ein megacooles RAID-System daheim«). Daß das
im Grunde genommen nur ein Placebo ist, weiß keiner, und
möglicherweise _wollen_ es viele auch gar nicht wissen.

Aber das ist es, was die Leute offenbar haben wollen,
denn das Zeug verkauft sich bestens. Hersteller zufrie-
den, Kunden zufrieden.

Nur eine kleine Minderheit, von denen einige hier in der
Mailingliste zu finden sind, sind damit natürlich nicht
zufrieden. Meine persönliche Lösung für das Dilemma sieht
so aus:

1. Daheim kein RAID. Warum? Billiges RAID nutzt nichts,
    und bei richtigem RAID hat der Preis hinten eine Null
    zuviel. Lieber sichere ich meine Daten regelmäßig (was
    man ja auch trotz RAID sowieso machen müßte) und in-
    vestiere in eine brauchbare Backup-Lösung (in meinem
    Fall ein Hügel IDE-Wechselplatten). Ein zusätzliches
    RAID hätte für mich keinen nennenswerten Mehrwert,
    außer daß der Rechner halt im Schadensfall von der
    noch gesunden Platte weiterläuft. Aber die kaputte
    Festplatte rauszurupfen und die Wechselfestplatte vom
    letzten Backup reinzustecken dauert auch höchstens
    fünf Minuten, und dabei verliere ich höchstens die
    Daten der letzten 24 Stunden (und das auch nur im
    worst-case). Das ist für einen Privatrechner daheim
    verschmerzbar.

2. Wenn Wohl und Wehe einer Firma von einem Server, dessen
    Verfügbarkeit und seiner Datensicherheit abhängen, dann
    gehört da richtiges RAID rein (neben anderen Maßnahmen,
    etwa zur Redundanz). Und dazu zähle ich kein IDE/ATA,
    keine Software-Lösung, keine Lösung, die nicht stateful
    ist, keine Lösung ohne NV-RAM. Und wenn ein Kunde von
    mir/uns nicht bereit dazu ist, die technisch erforder-
    lichen Dinge zu bezahlen, dann halte ich das schrift-
    lich fest und weise jede Verantwortung von mir.

Gruß
   Olli

PS: Je nach Anwendungsfall sind natürlich auch andere Lö-
sungen denkbar. Beispielsweise könnte man in die Server
auch _gar_ keine Festplatten reintun, sie disk-less booten
lassen und die Daten von einem Filer-Cluster mounten las-
sen, dessen Nodes über die Räume des Rechenzentrums ver-
teilt sind. Alles schon gehabt.

-- 
Oliver Fromme,  secnetix GmbH & Co. KG, Marktplatz 29, 85567 Grafing
Dienstleistungen mit Schwerpunkt FreeBSD: http://www.secnetix.de/bsd
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        -- Terry Lambert, FreeBSD-hackers mailing list.
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Received on Mon 19 Dec 2005 - 09:44:12 CET

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