Re: Eine "Verbindungs-Uhr"

From: Oliver Fromme <olli(at)lurza.secnetix.de>
Date: Wed, 18 Sep 2013 09:41:27 +0200 (CEST)

Peter Ross wrote:
> Ich habe das Gefühl, bei jedem dieser Open Source-Smartphone-Projekten
> kommt jder mit seiner eigenen GUI daher. Stimmt das? Ist das nicht
> reichlich uneffektiv?

Ich habe mich mit diesen Open-Source-Smartphones noch nicht
näher auseinandergesetzt (ein Android-Smartphone genügt mir
als Kompromiss). Aber wenn ich sowas entwickeln wollte,
würde ich definitiv _nicht_ X11 einsetzen, und auch keinen
der üblichen Windowmanager. Das ist alles für bestimmte
Anforderungen entwickelt worden, die auf Smartphones keine
Rolle spielen und dort lediglich einen großen, nutzlosen
Overhead bedeuten.

In der Tat würde ich eine Eigenkonstruktion entwickeln,
die mit möglichst wenigen Abstraktionsschichten auskommt.
Also eher das genaue Gegenteil von X11 & Co.

> > Wir sind eine kleine Minderheit.
>
> Das stimmt. Es wäre nur schade, wenn auf dem Weg in eine
> "Handy-Computerwelt" uns die Möglichkeit abhanden kommen würde, darauf die
> Software unserer Wahl einzusetzen und die Hardware zu beherrschen.

Um es mal provokativ zu sagen: Beherrschen wir Hardware
nicht schon lange nicht mehr? Zum Beispiel haben fast alle
Haushaltsgeräte heutzutage eine elektronische Steuerung
mit Mikrocontroller, können also als Computer aufgefasst
werden. Keines davon ist Open-Source. Gut, die meisten
haben keine Möglichkeit, sich mit einem Netzwerk oder
einem anderen Gerät zu verbinden, aber das ist nur eine
Frage der Zeit. Bei den Fernsehern z.B. sieht man sehr
gut, wohin die Entwicklung geht: Viele (die meisten?)
Neugeräte haben irgendeine Möglichkeit, sich kabelgebunden
oder kabellos zu verbinden, manche haben auch Android
eingebaut oder ein vergleichbares System mit Apps. Damit
sind sie von den Fähigkeiten (und der "Beherrschbarkeit")
her prinzipiell genauso einzustufen wie ein Smartphone.

Ich wage zu bezweifeln, dass sich die meisten Besitzer
eines solchen Fernsehers dieses Umstands bewusst sind.
Das wird mit den vielzitierten "intelligenten Kühlschränken"
nicht viel anders sein. Eher noch schlimmer, da man
aufgrund des deutlich eingeschränkten User-Interfaces
(im Vergleich zu Smartphones und Fernsehern) dazu neigt,
anzunehmen, dass diese Geräte auch im Inneren einfacher
gestrickt und daher "harmloser" sind. Ein Irrtum.
Wer schon einmal eine aktuelle (keine alte) Kaffeemaschine
auseinandergenommen und genauer untersucht hat, wird
festgestellt haben, dass sie einen Mikrocontroller
beherbergt, wie er z.B. auch auf Arduino-Boards verwendet
wird. Das genügt für einen TCP/IP-Stack und Netzwerk-
Connectivity. Meine letzte Kaffeemaschine von AEG hatte
unter einer unscheinbaren Abdeckung eine I2C-Schnittstelle
versteckt. Die war natürlich nur für Wartungszwecke
gedacht und nicht zum Verbinden mit einem Netzwerk, aber
der Schritt dorthin ist nicht so groß.

Auf der anderen Seite könnte man die Frage stellen: Was
bedeutet es überhaupt, die "Hardware zu beherrschen"?
Muss es dazu Open Source sein? Ist das nicht nur eine
Philosophie oder gar ein Dogma?

Ich behaupte z.B. einfach mal, dass ich mein Nexus-Tablet
recht gut beherrsche. In den Statistiken meines Routers
sehe ich, mit welchen Internet-Adressen es Verbindungen
aufnimmt. Wenn mir etwas davon nicht gefällt, kann ich
es sperren (wie z.B. Facebook, das "freundlicherweise"
eine eigene ASN hat und somit leicht komplett geblockt
werden kann). Wenn ich wollte, könnte ich den kompletten
Verkehr auch über einen eigenen Proxy abwickeln, der
bestimmte Cookies, Banner, Javascript oder sonstwas
nach Belieben herausfiltern kann.

Ähnliches gilt für meine anderen Closed-Source-Geräte,
die einen Netzwerkanschluss haben, etwa mein Radiowecker
und das Küchenradio (jeweils eine Squeezebox Boom) oder
der Medienplayer im Wohnzimmer (Mede8er 600). Die sind
zwar kein Android, aber auch Linux-basiert und nicht
"Open" (die supertolle GPL nützt da offenbar nicht viel).
Trotzdem gehe ich davon aus, dass ich sie "beherrsche",
in dem Sinne, dass sie in meinem Netzwerk nichts tun,
was ich nicht erlaubt habe.

Lustig ist auch der Fernseher: Er schaltet sich ab und
zu nachts für eine Minute ein, um nach Firmware-Updates
zu suchen (Bildschirm und Power-LED bleiben aus, aber
man hört das Netzteil-Relais klacken, wenn man gerade
im Raum ist). Ich habe keine Möglichkeit gefunden, es
ihm abzugewöhnen, aber finden tut er mangels Connectivity
nie etwas. Fast tut er mir ein bisschen leid ... :-)

Gruß
   Olli

-- 
Oliver Fromme,  secnetix GmbH & Co. KG,  Marktplatz 29, 85567 Grafing
Handelsregister:  Amtsgericht Muenchen, HRA 74606, Geschäftsfuehrung:
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Received on Wed 18 Sep 2013 - 09:41:39 CEST

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