Re: Eine "Verbindungs-Uhr"

From: Peter Ross <Peter.Ross(at)alumni.tu-berlin.de>
Date: Thu, 19 Sep 2013 10:36:08 +1000 (EST)

Hallo Olli,

On Wed, 18 Sep 2013, Oliver Fromme wrote:

> Ähnliches gilt für meine anderen Closed-Source-Geräte,
> die einen Netzwerkanschluss haben, etwa mein Radiowecker
> und das Küchenradio (jeweils eine Squeezebox Boom) oder
> der Medienplayer im Wohnzimmer (Mede8er 600). Die sind
> zwar kein Android, aber auch Linux-basiert und nicht
> "Open" (die supertolle GPL nützt da offenbar nicht viel).
> Trotzdem gehe ich davon aus, dass ich sie "beherrsche",
> in dem Sinne, dass sie in meinem Netzwerk nichts tun,
> was ich nicht erlaubt habe.

Ich sehe hier immer noch einen Unterschied zwischen Kabel/WLAN und
Mobiltelephon: Bei ersterem geht das eben durch Deinen Router und Du hast
noch Möglichkeiten, einzuschränken oder "mitzuhorchen", was Dein Gerät so
will,

z.B. dieses Nachhause-Telephonieren:

> Lustig ist auch der Fernseher: Er schaltet sich ab und
> zu nachts für eine Minute ein, um nach Firmware-Updates
> zu suchen (Bildschirm und Power-LED bleiben aus, aber
> man hört das Netzteil-Relais klacken, wenn man gerade
> im Raum ist). Ich habe keine Möglichkeit gefunden, es
> ihm abzugewöhnen, aber finden tut er mangels Connectivity
> nie etwas. Fast tut er mir ein bisschen leid ... :-)

Sicher, wie Bernd schon sagt, man kann auch von einem Temperaturfühler
eines Kühlschranks einiges mitbekommen. Ein Gerät mit Kamera und Mikro
liegt aber schon in einer anderen Kategorie, wenn man es nicht selbst
beherrscht:

"The telescreen recieved and transmitted simultaneously. Any sound Winston
made, above the level of a very low whisper, would be picked up by it;
moreover, so long as he remained within the field of vision which the
metal plaque commanded, he could be seen as well as heard. There was of
course no way of knowing whether you were being watched at any given
moment. How often, or on what system, the Thought Police plugged in on any
individual wire was guesswork. It was even conceivable that they watched
everybody all the time. But at any rate they could plug in your wire
whenever the wanted to. You had to live- did live, from habit that became
instinct- in the assumption that every sound you made was overheard, and,
except in darkness, every movement scrutinized."

-1984, Book 1, Chapter One, George Orwell

Mit der Stasi hatte ich das einen Level untechnischer schon mal (1000
Seiten Berichte über einen (1989) 24jährigen Freund, geschrieben von 17
Spitzeln, sind nicht schlecht...)

Sicher, man kann so ziemlich alles verwanzen - Mikros und Kamera können
superklein und unauffällig sein.

Da gibt es aber noch eine gewisse Hemmschwelle, das Grundgesetz sagt da
doch was andreres..

Wenn wir uns aber selbst verwanzen, z.B. mit 'ner XBox, die ohne Kamera
nicht funktionieren will, oder dem Fernseher mit Kamera und
Internet-Anschluß,

dann ist das Unrechtsbewußtsein der betreffenden Dienste und der
zuständigen Schilys und Friedrichs doch erheblich eingeschränkt. "Wir
haben nur mal nachgeguckt, ob der Terrorist nicht bei Ihnen im
Schlafzimmer ist. Kein Grund zur Beunruhigung, es ist nur zu Ihrem Besten.
Und überhaupt, kennen Sie das Super-Grundrecht auf Staats-Sicherheit (kurz
auch Stasi genannt) nicht, daß das Grundgesetz außer Kraft setzt?"

Offensichtlich ist das Problem keines, was die Massen beunruhigt. Nicht
einmal, wie gnadenlos man Snowden nachsetzt, der im wesentlichen vorallem
unrechtmäßige Bespitzelung von Geheimdiensten aufgedeckt hat.

Für Leute wie Joachim Gauck, Pfarrer aus meiner Heimatstadt, ist das schon
ein Problem:

http://www.pnp.de/nachrichten/politik/878750_Gauck-im-PNP-Interview-Die-NSA-Affaere-beunruhigt-mich-sehr.html

Aber offensichtlich gilt selbst für einen Bundespräsidenten heute der
Spruch, der mal zu DDR-Zeiten als Protest an einer Rostocker Schule stand
("Wir sind zwar mündig, haben aber nichts zu sagen")

Da ich staatlichen Schnüffeldiensten - und deren Kontrolle dank einer eher
apathischen Mehrheit der Staatsbürger - nicht trauen kann, habe ich schon
einen Bedarf an einem "Hauptschalter", der meine Kommunikation mit der
Außenwelt komplett abbricht.

Entschuldigung, das ist jetzt weit weg von technischen Dingen..

Zurück zu diesen: Es wäre ein Fortschritt, wenn man die Außenschnittstelle
minimiert und unter eigene Kontrolle bringt - die Verbindungsuhr, der
"Hauptschalter" am Handgelenk - und gleichzeitig alle Geräte von
Möglichkeiten unkontrollierter Kommunikation "befreit".

So, wie Du bei Dir zuhause einen Router hast, den Du eben nicht mit
allem und jedem telephonieren läßt und nicht von der Telekom
administriert wird. Auch hast Du davon sicher nur einen, das macht es
narrensicherer.

Technisch entspricht das nur dem modularen Unix-Prinzip: Ein Modul pro
Funktion, der Rest braucht das dann gar nicht.

Im Moment behelfe ich mir mit einem "dumbphone" und mit eingeschränkter
Kommunikation. Was meinem Lebensstil zugute kommt, aber sicher nicht
jedermanns Geschmack ist.

Eventuell hätte eine solche Uhr auch "Bildungswert". Eine solches Angebot
kann auch zum Nachdenken bewegen und eventuell etwas dazu beitragen, daß
das Bewußtsein über unsere Kontrollmöglichkeiten erhöht.

Es grüßt
Peter

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Received on Thu 19 Sep 2013 - 02:36:24 CEST

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