Re: Eine "Verbindungs-Uhr"

From: Oliver Fromme <olli(at)lurza.secnetix.de>
Date: Tue, 10 Sep 2013 17:45:09 +0200 (CEST)

Peter Ross wrote:
> Eine der Motivationen zur Verwendung von Open Source für mich ist das
> Gefühl, zu wissen, was mein Computer macht.
>
> Ich habe recht wenig Vertrauen darin, was z.B. Windowscomputer tun, noch
> weniger irgendwelche Freeware, und ich habe wenig Lust, die mit
> Antivirus-Software und Firewalls einzusperren, besser ist es, solche
> undurchsichtigen Geräte gar nicht erst zu haben.
>
> Mit Android (nicht zu reden von iOS) bin ich wieder an dem Punkt, daß ich
> nicht weiß, was diese Teile tun.

Das wusste ich noch bei keinem Handy. Auch meine alten
Gurken, die noch keine Smartphones waren, waren vollständige
Computer mit Speicher, teilw. Java-Interpreter, Kamera und
anderem Krempel. Bei Smartphones -- egal ob iOS, Android,
Windows oder sonst etwas -- ist es eigentlich nur quantitativ
"schlimmer", nicht qualitativ. Wobei erschwerend hinzukommt,
dass man aufgrund der verbesserten Fähigkeiten auch mehr mit
den Geräten anstellt. Auf meinem alten iMode-Handy (das ich
immer noch verwende) läuft nunmal kein Youtube und kein
Online-Banking.

> Sagen wir mal, ich liege im Bett und gucke YouTube, dann möchte ich auch
> nicht im Entferntesten, daß jemand mir zuguckt. Mir gefällt nicht einmal,
> daß jemand es könnte.

Kamera abkleben. Das ist die einzige wirksame Maßnahme.
Auch wenn das OS des Handys Open-Source wäre, könntest Du
sonst nicht wirklich sicher sein.

> Ein mechanischer Ausschalter wäre die einfachste Lösung, um sicher zu
> sein, und doch kenne ich kein einziges Gerät, welches einen solchen
> besitzt.

Das wäre auch nicht sehr praktikabel. Du bräuchtest einen
mechanischen Schalter für die Kamera, für NFC, Bluetooth,
WLAN, Mobilfunk, GPS und die tausend anderen Sachen. Wo
sollen diese Sxchalter alle sitzen, so dass man sie noch
bequem und unabhängig voneinander betätigen kann, und ohne
dass sie sich versehentlich verstellen, wenn man das Handy
in die Tasche schiebt?

Davon abgesehen: Wer sagt Dir, dass die Kamera tatsächlich
ausgeschaltet ist, wenn Du den Schalter, an dem "Kamera"
steht, auf "aus" stellst? Schraubst Du das Handy auf und
untersuchst die Platine? In der Praxis wären wohl solche
Schalter, wenn es sie gäbe, mit den GPIO-Pins des Prozessors
verbunden, d.h. man muss wiederum der Software vertrauen,
dass sie beim Umlegen des Schalters das Richtige tut.

Aber das ist eh alles nur Gedankenspielerei, die Tendenz
geht ja eher in die andere Richtung, d.h. alles Mechanische
abzuschaffen. Mein aktuelles Smartphone hat nur noch drei
echte Tasten: an/aus und die Lautstärketasten. Und wenn
man's genaunimmt, kann man auf diese eigentlich ebenso
verzichten. Ich würde es begrüßen: Tasten, die nicht
vorhanden sind, können nicht verschleißen und ausfallen.

> Deine Gedanken zu Android 4.3: Ich kann es nicht mal problemlos auf ein
> anderes Android-Gerät draufspielen, "dank" der Herstellerabhängigkeit bin
> ich darauf angewiesen deren oft veraltete Software zu verwenden.

Ja, aufgrund unterschiedlicher Hardware braucht jedes Handy-
modell natürlich eine speziell dafür gebaute Android-Version.
Für die Hersteller ist jedes Update ein gewisser Aufwand,
insbesondere wenn sie noch eigene Spezialitäten integrieren
(z.B. Sense bei HTC, TouchWiz bei Samsung usw.), was die
meisten tun, da sie sich von der Konkurrenz abheben wollen.

Verständlich -- wenn auch ärgerlich -- ist es, dass die
Hersteller diesen Aufwand insbesondere bei älteren Modellen
scheuen, wäre es ihnen doch lieber, wenn der Kudne gleich
zu einem neueren Modell greift. Zuweilen liest man auch,
dass die Hardware des älteren Modells nicht leistungsfähig
genug für die neue Android-Version sei. Ob man das glauben
mag oder nicht, sei mal dahingestellt; überprüfen kann man
das sowieso nicht.

Um dieser ganzen Problematik aus dem Weg zu gehen, habe ich
bisher immer Nexus-Geräte von Google gekauft. Dort bekommt
man die Android-Updates zeitnah und für ca. zwei bis drei
Jahre; dies ist auch der Rhythmus, in dem ich ein neues
Smartphone kaufe (d.h. ich lasse immer eine Generation aus).
Auf diese Weise habe ich ständig die aktuelle Version von
Android.

> Nicht zu reden davon, daß es kaum möglich ist, ein FreeBSD oder Linux
> drauf zu installieren.

Wobei Android auf Linux basiert (auch wenn das nicht auf den
ersten Blick zu sehen ist), und iOS auf Darwin und somit im
weitesten Sinne auch auf FreeBSD.

> Ich denke tatsächlich an eine Uhr, die alle meine Verbindungen regelt.
> Wenn die verfügbar ist und als Gateway zur Verfügung steht, dann können
> alle Geräte dahinter einfache IP-fähige Geräte sein, daß würde Bemühungen,
> echte Open Source auf diesen zu implementieren sehr nützen, da die
> Abhängigkeiten von 3G-,GPS-Modulen und sonstwas wegfallen.

Aber würde das das Problem nicht lediglich vom Smartphone
in die Uhr verlagern? Wäre damit wirklich etwas gewonnen?

Davon abgesehen: Ein Modul brauchst Du in jedem Fall,
nämlich eines, um mit der "Uhr" zu kommunizieren, also WLAN,
Bluetooth, ZigBee oder etwas Ähnliches. Und da hast Du
wieder Closed-Source. Ich kenne kein einziges WLAN- oder
Bluetooth-Modul, dessen Firmware Open-Source wäre.

> Das wiederum führt zu höherer Sicherheit auf diesen Geräten. Wenn ich
> darauf z.B. Jails habe, weiß Facebook von meinem Telefonbuch gar nichts,
> daß ist der beste Schutz des Adreßbuch vor Zuckerberg und Co.

Es ist halt immer ein Kompromiss zwischen Bequemlichkeit
und Sicherheit. Dass die Facebook-App Zugriff auf die
Kontakte hat (ich nehme an, das ist mit Telefonbuch gemeint),
hat natürlich für den Anwender einen praktischen Nutzen.

> Wenn diese Uhr _das_ Gateway ist, ist es auch sehr einfach, seine
> Verbindungen zur Außenwelt zu limitieren. Nebens Bett gelegt und
> ausgemacht - Ruhe ist auf allen Kanälen.

Ebensogut kannst Du natürlich auch das Smartphone ausschalten
(das mache ich über Nacht auch meistens, sofern ich daran
denke). Oder den Airplane-Modus aktivieren, dann sind alle
Antennen im Handy physikalisch ausgeschaltet (dies ist eine
verbindliche Rechtsvorschift, die auch überprüfbar ist,
weshalb ich davon ausgehe, dass alle Handies diese Funktion
korrekt implementieren).

> Ich kann auch das gleiche Telephon für zuhause wie unterwegs nutzen - es
> ist in beiden Fällen nur IP-Verkehr..

Das kann man auch so bereits schon. Du kannst eine VoIP-App
zum Telephonieren verwenden, und wenn Du unterwegs bist,
kannst Du Dich z.B. per OpenVPN mit Deinem Router daheim
verbinden. Dann telephonierst Du immer per IP über Deinen
Router, egal ob Du daheim (WLAN) oder unterwegs (Mobilfunk)
oder in einem fremden WLAN (Hotel, Cafe) bist.

> Sicher könnte es auch ein Ei sein, aber alle Welt wartet eh auf
> "smartwatches" - warum nicht mal so? Und die Uhr hat man so ziemlich immer
> bei sich, das spricht für die Form der Uhr.

Ich trage nie eine Armbanduhr. Zum letzten Mal vor rund 25
Jahren. Aber vermutlich bin ich da eine Ausnahme. :-)

> Ich frage mich, wie schwierig es wäre, die Funktionen - GPS, 3G/4G und
> Wireless, auf die Größe einer Uhr zu schrumpfen.

Das ist gar nicht so schwer. Das Problem ist der Akku,
denn alle diese Funktionen wollen hinreichend lange mit
Strom versorgt werden. Den dafür notwendigen Akku bekommt
man nicht in eine halbwegs tragbare Armbanduhr geschrumpft.

Aus diesem Grund ist die jüngst vorgestellte "Smart Watch"
von Samsung auch kaum mehr als ein funkgesteuertes Display,
also eine Art Mini-Funk-Terminal. Um sie zu benutzen, muss
man sie mit einem herkömmlichen Smartphone koppeln, dass
man in der Tasche trägt.

> Danke für Deine Gedanken, sorry, daß ich darauf nicht Punkt für punkt
> geantwortet abe - ich hatte das Gefühl, meine Motivation kam nicht so
> richtig rüber. Trotzdem war das für mich sehr hilfreich.

Kein Problem. Ich finde Deine Idee prinzipiell interessant
(weshalb ich auch so ausführlich darauf eingehe), aber ich
glaube nicht, dass so ein Produkt praxistauglich wäre.
Vor allem nicht für den Massenmarkt, was aber Voraussetzung
für eine einigermaßen kostentragende Produktion wäre.

Gruß
   Olli

-- 
Oliver Fromme,  secnetix GmbH & Co. KG,  Marktplatz 29, 85567 Grafing
Handelsregister:  Amtsgericht Muenchen, HRA 74606, Geschäftsfuehrung:
secnetix Verwaltungsgesellsch. mbH, Handelsreg.: Amtsgericht München,
HRB 125758, Geschäftsführer:  Maik Bachmann,  Olaf Erb,  Ralf Gebhart
FreeBSD-Dienstleistungen/-Produkte + mehr: http://www.secnetix.de/bsd
"[...]  one observation we can make here is that Python makes
an excellent pseudocoding language, with the wonderful attribute
that it can actually be executed."  --  Bruce Eckel
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Received on Tue 10 Sep 2013 - 17:45:21 CEST

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