Re: Nischensysteme (was Re: BeOS)

From: Oliver Fromme <olli(at)secnetix.de>
Date: Thu, 12 Dec 2002 22:38:09 +0100 (CET)

Ralf Hagen <aranea-diademata(at)gmx.net> wrote:
> Die einzelnen FreeBeOS-Wege gehen aber u.a. auch darauf hinaus, BeOS mit
> Linux-Kernel und X-Server zu realisieren.

In der üblichen Nomenklatur wäre das dann also ein Be/Linux
(analog zu GNU/Linux).

> > Ich sehe Linux und FreeBSD durchaus auch im Multimedia- und
> > Desktop-Bereich. Ich verwende inzwischen ausschließlich
> > FreeBSD für sowas (Textverarbeitung, Bildverarbeitung, Au-
> > dio, Video usw.), und die Applikationen, die ich dafür ver-
> > wende, sind einfach zu bedienen und erfordern keine UNIX-
> > Hacker-Kenntnisse. Im Gegenteil, einiges davon würde ich
> > als einfacher und ergonomischer als seine Windows-Pendants
> > bezeichnen.
>
> Natürlich kann man FreeBSD und Linux auch für Multimedia verwenden (das
> Katastrophale Desktop Environment, kurz KDE, macht ja genau das); das
> bremst die Sache aber auch sehr weitgehend runter.

Also, erstmal würde ich Multimedia nicht zwangsläufig mit
KDE oder irgendeinem anderen Desktop-Environment in Verbin-
dung bringen. Das sind zwei Paar Schuhe. Man kann Multi-
media sogar ganz ohne GUI machen.

Mir ist auch nicht klar, wieso Du Multimedia unter Linux
oder BSD als »gebremst« ansiehst. DVDs abspielen benötigt
weniger CPU-Anteile als unter Windows (ich habe das mal
auf meinem Notebook verglichen). Von Bremsen keine Spur.

> Offen gestanden, mich fasziniert die Idee, ein BS zu haben, das keine
> Shell mit aufgesetzter Multimedia ist, sondern Multimedia mit
> eingebauter Shell.

Mich erschreckt die Idee eher. :-)

Man sieht ja bei Windows, wozu das führt.

> Ansonsten gebe ich bei FreeBSD und Linux immer noch zu bedenken, daß man
> es einfach knicken kann, als Einsteiger diese Systeme einzurichten und
> zu betreiben.

Zunächst mal muß der Benutzer ja nicht die gleiche Person
sein wie die, die das System einrichtet. Ich habe schon
BSD-Rechner für Leute eingerichtet, die absolut Null Plan
von der Sache haben, und die damit ganz glücklich sind.

Genau so würde das auch in dem Beispiel mit den Bundestags-
rechnern laufen: Jemand, der sich damit auskennt, richtet
sie ein und sorgt dafür, daß alles, was im Alltagsbetrieb
benötigt wird, in die Oberfläche integriert ist (in Form
von Buttons, Menüs, Taskleisten, was-auch-immer). Derjeni-
ge, der die Rechner dann benutzt, muß gar nicht wissen, was
für ein Betriebssystem darauf läuft. Der klickt nur auf
Buttons und/oder Menüs, um Applikationen zu starten.

Nun hat natürlich nicht jede Privatperson einen »Experten«
an der Hand, der für sie mal eben eine Installation aufset-
zen kann. Hier sind die Programmierer, Release-Engineers
und Produzenten der diversen Systeme und Distributionen ge-
fragt. Es ist durchaus möglich, die Installation eines
BSD- oder Linux-Systems genauso einfach zu machen wie die
eines Windows-Systems, oder sogar noch einfacher. Warum
auch nicht? Schau Dir MacOS X an. Das geht so ungefähr in
diese Richtung.

Im übrigen erfordert es auch durchaus Fachkenntnisse und
Expertenwissen, um ein Windows korrekt zu installieren und
effizient am Laufen zu halten. Nicht umsonst gibt es zu
diesem Thema hunderte von Buchtiteln.

> Es gibt zwar ganz gute Einsteiger-Bücher ("Jetzt lerne ich...", einer
> der wenigen einsamen Geniestreiche des M&T-Verlags, zumindest, was SuSE
> anbetrifft); aber man rennt in FreeBSD, aber auch in Linux, immer wieder
> in Probleme, für die man als Einsteiger jemanden braucht, der sich damit
> auskennt.

Trifft auf Windows genauso zu. Und wird auf _jedes_ Be-
triebssystem zutreffen, sobald man versucht, Dinge damit
anzustellen, die nicht trivial sind. Bei Windows ist es
dann sogar häufig so, daß gewisse Dinge gar nicht möglich
sind, weil der Benutzer ein Skalve des GUI ist. Unter
einem UNIX-System kann ich dann das GUI umgehen, eine Shell
aufmachen und das »zu Fuß« erledigen, was ich tun will.
Daß das ein paar Kenntnisse erfordert, die man sich aneig-
nen muß, ist klar, aber das ist doch immer noch besser, als
gar nicht in der Lage zu sein, daß zu tun, was man tun
will. Hierfür kann ich dutzende von Beispielen nennen, da
ich im Alltag häufiger mit Windows konfrontiert werde, als
mir lieb ist.

Daher halte ich Betriebssysteme, die im Kern auf einem GUI
basieren und alles andere darum herum aufbauen, für kom-
plette Fehlkonstruktionen. Das GUI muß ein (optionaler!)
Aufsatz auf dem Betriebssystem sein, nicht umgekehrt.
Apple hat das offenbar erkannt und mit MacOS X sehr erfolg-
reich realisiert.

> FRAGE: An Doze halten mich im Moment vor allem zwei Dinge fest: IOCR
> (Abbyy FineReader) und Privatbuchhaltung (Quicken). Kennt jemand
> Produkte mit ähnlichem Funktionsumfang für BSD/Linux?

Was ist Doze?

> > > Aber meine Argumentation für BeOS ist nicht "Ich bin technisch
> > > Uninteressiert und will nix mit FreeBSD und Linux zu tun haben", sondern
> > > "Ich hätte gerne ein OpenSource-BS, mit dem *unter anderem* auch
> > > technisch uninteressierte mit "Rechner-Führerscheinwissen" zurecht kommen".
>
> > Das trifft auf ein entsprechend aufgesetztes Linux oder BSD
> > ebensogut zu.
>
> Hm... sehe ich nicht so ganz, spätestens, wenn ich "Installation" und
> "einfaches Troubleshooting" dazu setze.

Zur Installation siehe oben. »Einfaches Troubleshooting«
existiert nicht, unter keinem Betriebssystem. Wenn mir die
Eingeweide um die Ohren fliegen (sei es nun eine Kernel-
Panic, ein Blue-Screen, eine Guru-Meditation oder sonst-
was), kann ich als nicht-Experte damit nichts anfangen.

(Wenn ich keine unüberwindliche Aversion gegen einen Shell-
Prompt habe, kann ich unter FreeBSD bei einer Kernel-Panic
immerhin recht einfach herausfinden [auch als Anfänger],
welcher Treiber und evtl. sogar welche Funktion für eine
Kernel-Panic verantwortlich war. Aber das nur am Rande.
Ich denke, daß sich jedes lösbare Problem auch bei Unwis-
senheit mit etas gutem Willen und gesundem Menschenver-
stand lösen läßt.)

> > Da würde ich bedenkenlos FreeBSD für einsetzen. Sofort.
>
> Kommt wohl auch auf das Netzwerk an, und wieviel man als Admin an den
> Clients machen darf.

Zu einer umfassenden Konzeptionierung gehört auch eine ge-
eignete Netzwerkinfrastruktur. Und die Admins, die für den
Betrieb der Rechner zuständig sind, sollten natürlich prin-
zipiell alles an den Clients machen dürfen, das für den Be-
trieb erforderlich ist. Die Benutzer würden natürlich kei-
ne administrativen Rechte auf den Mascheinen erhalten.

Wobei ich in so einem Fall in Erwägung ziehen würde, auf
den Clients so wenig wie möglich lokal zu installieren,
idealerweise gar nichts. Stellt natürlich gewisse Anfor-
derungen an das Netz und an die Server, vereinfacht aber
die Wartung erheblich.

Gruß
   Olli

-- 
Oliver Fromme, secnetix GmbH & Co KG, Oettingenstr. 2, 80538 München
Any opinions expressed in this message may be personal to the author
and may not necessarily reflect the opinions of secnetix in any way.
"All that we see or seem is just a dream within a dream" (E. A. Poe)
To Unsubscribe: send mail to majordomo(at)de.FreeBSD.org
with "unsubscribe de-bsd-chat" in the body of the message
Received on Thu 12 Dec 2002 - 22:38:13 CET

search this site