Re: Tauglichkeit von Office-Paketen und MS-Freundlichkeit

From: Christian Weisgerber <naddy(at)mips.inka.de>
Date: Thu, 19 Jul 2001 17:00:48 +0000 (UTC)

Bernd Walter <ticso(at)mail.cicely.de> wrote:

> Die in den USA verwendedeten Zeichen sind schliesslich aus der
> Kombination der Beduerfnisse von vielen Kulturen entstanden.

Die US-amerikanische Kultur ist eine Abzweigung der englischen des
18. Jahrhunderts. Das wird insbesondere offensichtlich, wenn man
in ihre Vergangenheit vordringt - dann steht man nämlich plötzlich
in England, sei es bei Sprache, Rechtssystem, oder (sehr heiter)
Informationssendungen von AFN über die Herkunft amerikanischer
Militärtradition. Die gerne propagierte Multikulturellität der USA
ist eine Fiktion, deren Einforderung ganz schnell ein hässliches
Gesicht zu Tage fördert, vergleiche die Diskussion um die offizielle
Bestätigung von Englisch als Amtssprache aus Angst vor einer
hispanischen Überfremdung oder die panische Reaktion auf den
Ebonics-Vorstoß. Zwar stammt historisch betrachtet die Mehrzahl der
Einwanderer nicht von den britischen Inseln, sie sind aber durch
den Gründereffekt in die angelsächsische Leitkultur assimiliert
worden. Der gute Amerikaner ist immer noch ein WASP (White Anglo-Saxon
Protestant).

> Ich denke wir koennen auf unsere paar spezifischen Zeichen problemlos
> verzichten was z.B. im Franzoesischen wohl nicht so einfach machbar
> sein duerfte.

Man findet im französischsprachigen Usenet regelmäßig Beiträge, die
komplett ohne Akzente geschrieben sind. In der Praxis entstehen
dadurch keine Mehrdeutigkeiten. Dazu kommt, dass die Mehrzahl der
Franzosen schon Opfer des Irrglaubens ist, dass man auf Großbuchstaben
keine Akzente zu setzen habe. (Die Vorgaben der Nationaldruckerei
besagen das Gegenteil). Ein Teil der Akzente entspringt dem
Rechtschreibungsprinzip Homographe zu vermeiden (ou/où, a/à), ein
Teil ist einfach historisch (août), und der Rest ergibt sich aus
Laut-Buchstabe-Zuordnung (é/è, ï) und Stammprinzip (ç). Was die
Veränderung des Schriftbilds angeht, ist ein Weglassen der Akzente
im Französischen weniger augenfällig als eine Ersetzung der Umlaute
im Deutschen.

> Ich kann mal wieder ueberhaupt nicht verstehen warum so viele an
> unnoetigen exotische Gewohnheiten festhalten wollen.

Der ASCII-Zeichenvorrat ist unzureichend für _fast alle_ Sprachen,
die sich der lateinischen Schrift bedienen. Die wenigen typischerweise
genannten Ausnahmen sind Englisch, Kisuaheli, Latein sowie einige
Plansprachen wie Interlingua. Die Verwendung diverser diakritischer
Zeichen und vereinzelter zusätzlicher Buchstaben ist die Regel,
nicht die »exotische« Ausnahme.

»Deutsche« Umlaute finden sich übrigens auch in Schwedisch, Finnisch,
Ungarisch, und Türkisch; das typographisch nur noch selten davon
unterschiedene Trema geht quer durch die europäischen Sprachen.

Tatsächlich reicht ASCII noch nicht einmal um _gebildetes_ Englisch
zu schreiben, weil dort diverse Entlehnungen die diakritischen
Zeichen der Quellsprache beibehalten. Ich stimme zu, dass »coöperation«
übertrieben ist, und über »rôle« mag man streiten, aber spätestens
bei »fiancé(e)« ist der Akzent Pflicht.

> Eine Internationale Universaltastatur ist sicherlich weniger
> Praktikabel wie auf einige Zeichen zu verzichten.

Niemand ruft nach einer internationalen Universaltastatur. Und die
meisten Leute möchten nicht auf die Zeichen verzichten, die sie
selbst verwenden.

-- 
Christian "naddy" Weisgerber                          naddy(at)mips.inka.de
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Received on Thu 19 Jul 2001 - 19:30:49 CEST

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