Re: Umlaute und andere Sonderzeichen in Dateinamen konvertieren?

From: Polytropon <freebsd(at)edvax.de>
Date: Sat, 22 Mar 2014 14:05:48 +0100

On Sat, 22 Mar 2014 01:12:47 +0000 (UTC), Christian Weisgerber wrote:
> On 2014-03-21, Polytropon <freebsd(at)edvax.de> wrote:
>
> > Sprache ändert sich hauptsächlich durch den Gebrauch durch
> > die Menschen. Mit den Rechtschreibreformen hat man aber,
> > wie schon in Nazi-Deutschland, versucht, die Sprache "von
> > oben herab" zu steuern und zu beeinflussen, sie um
> > Nuancen zu reduzieren, die sie ausmachen, und "Regeln"
> > inkonsistent und unsinnig aufzustellen.
>
> Das ist eine so bizarre Verschwörungstheorie, dass mir die Worte
> fehlen, und spricht dafür, dass du keinerlei Kenntnis zur Sache
> hast. Das Thema Rechtschreibreform ist jedes Mal eine drastische
> Demonstration des Dunning-Kruger-Effekts.

Aus diesem Grund habe ich ja schon früher die
Bemühungen von Sprachgelehrten erwähnt, die sich
früher mal um den Gefreiten mit dem kleinen Schnurrbart
geschart hatten. :-)

Die Inkonsistenzen, der "Vorschlagscharakter" sowie
die versäumten _echten_ Vereinfachungen der Sprache,
also alles Dinge, die die "Sprachgesetzgeber" hätten
vermeiden sollen, plus das Abtun gegenteiliger Meinungen,
selbst wenn diese fundiert sind, würden den o. g. Effekt
eher der vorgenannten Personengruppe zuordnen.

> > Man kann jeden Deutschlehrer in den Wahnsinn treiben,
> > indem man ihn fragt, warum "zusammen schreiben" aus-
> > einander, "auseinanderschreiben" aber zusammen ge-
> > schrieben werden soll.
>
> Kontrafaktische Frage.

Kommt auf den Duden an, den man als Referenz beizieht.
Das ist ja das Schöne: Durch geschickte Auswahl des
Regelwerk kannst Du so gut wie jede Schreibweise als
richtig oder falsch deklarieren. Aber nach ähnlichem
Muster kann man auch andere Fragen konstruieren, z. B.
nach "Blut saugend" vs. "blutstillend", oder "totmachen"
vs. "mies machen", oder auch "darunter stehen" vs.
"drunterstehen"). Ich hoffe, diese Beispiele haben Dich
an Satz weise zu Frieden gestellt. :-)

> > Das "scharfe S" ist auch so ein Überbleibsel, das unsinnig
> > ist. Wir unterscheiden ja schriftsprachlich nicht, ob z. B.
> > S weich ("singen") oder scharf ("los") gesprochen wird - an
> > beiden Stellen schreiben wir dasselbe Zeichen, nämlich 's'.
>
> Doch, die deutsche Laut-Buchstaben-Zuordnung unterscheidet sehr
> wohl zwischen "stimmlosem s" /s/ und "stimmhaftem s" /z/.

Im Deutschen hat 'z' den Lautwert 'ts'. Im Englischen
ist das anders, hier wird 'z' als weiches S gesprochen,
z. B. im Buchstabierwort "Zulu". Ich nehme aber an,
Du meinst hier den Transkriptionswert, daher die
Schrägstrichschreibweise.

> Die
> Aussprache von <s> ist stellungsbedingt. Und da man die zwischen
> Vokalen auftretenden _drei_ Fälle
> * /s/ nach kurzem Vokal
> * /s/ nach langem Vokal
> * /z/ nach langem Vokal
> nicht mit _zwei_ Graphemen <s> und <ss> unterscheiden kann, braucht
> es ein drittes, eben <ß>.

Die Aussprache ist dialektisch bedingt. So wird "die Maß Bier",
je nachdem, wen man fragt, mit kurzem oder langem 'a' gesprochen.
Eine weiche Aussprache von S kann sowohl nach kurzem als auch
nach langem Vokal vorkommen ("Besitz", "Vase"), die scharfe
sowohl in der Schreibweise mit 's' ("Bus") - auch in Zusammen-
setzungen wie z. B. 'st' ("Liste"), als auch mit 'ß' ("Riß").
Da 'ß' ein nicht-trennbares 'ss' darstellt, wird es logischer-
weise immer scharf gesprochen.

Die Zuordnung ist daher nicht eineindeutig. Wie Du schon
richtig sagst, ist die Zeichenstellung hier ein wichtiger
Hinweis.

Die Länge eines Vokals bei der Aussprache hat oft einen
starken Einschlag von Seiten des Dialekts. Ein gutes
Beispiel ist die "Maß Bier", die sowohl mit langem als
auch mit kurzem 'a' sprachlich wiedergefunden werden kann.
Sollte man sie in Bayern "Mass" schreiben, in Franken
hingegen "Maß"?

Ein Versuch, _Vokallängen_ abzubilden, geht auf J. C. A. Heyse
zurück. Die Idee entstammt etwa dem 18. Jahrhundert und wurde für
ca. 100 Jahre praktiziert, dann aber abgeschafft, da sie nicht
eindeutig und fehleranfällig war, zudem ist sie unlogisch, da
sie lediglich eine Erweiterung der auf J. C. Adelung zurück-
gehenden Regel für das Setzen von 'ß' darstellt, diese Regel
also verkompliziert.

Adelung: "Jedes nicht-trennbare 'ss' wird als 'ß' geschrieben."

Formal:

ss: s-s -> ss
    ss -> ß

Beispiel:

Strasse: Stras-se? Nein.
         Stra-sse? Ja, also Straße.

Trasse: Tras-se? Ja.
         Tra-sse? Nein.

Heyse: "Jedes 'ß', das nicht nach langem Vokal oder Diphtong
steht, wird zu 'ss' zurückentwickelt." Das heißt, man muß
erst einmal wissen, ob ein Wort mit 'ß' oder 'ss' geschrieben
wird (und nicht etwa nur mit 's'), bevor man die Regel über-
haupt anwenden kann.

Formal:

v[ß]: v lang -> ß
      v kurz -> ss
      v Diphtong -> ß

Das "Kombinatorium", das ein Ergebnis der Rechtschreibreformen
war, sieht also formal jetzt so aus:

ss: s-s -> ss
    ss -> v[?]: v lang -> ß
                 v kurz -> ss
                 v Diphtong -> ß

Wenn man jetzt noch bedenkt, daß die Vokallänge stark dialekt-
lastig ist und es auch Wörter gibt, in denen 's' einem kurzen
Vokal folgen kann, dann... dann kommen Wörter wie "Zeugniss"
dabei raus. :-)

Natürlich stört diese Schreibweise auch den Lesefluß, da Wort-
fugen verschwinden (Günter Jauch: "Bambuses-Stäbchen", als er
"Bambusessstäbchen" las, oder auch "Messprotokoll") und
Konsonanten können sich anhäufen (z. B. "Messstrecke").

Die Fehlinterpretation, "nach jedem kurzen Vokal steht 'ss'"
findet sich heute oftmals in Schriften von Schülern und auch
Erwachsenen wieder, manche glauben auch, sie lebten in der
Schweiz und schreiben immer 'ss' statt 'ß' ("ich weiss"). :-)

> Man kann darüber diskutieren, ob man diese Unterscheidung braucht
> oder ob man die Schreibung mehrdeutig lassen will (die Vokallänge
> wird auch in allerlei anderen Fällen nicht eindeutig markiert und
> die Betonung schon gar nicht), aber "unsinnig" ist sie nicht.

Ich meinte auch gar nicht, daß das scharfe S, welches wir
als 's' _oder_ 'ß' schreiben, unsinnig sei. Ich finde nur,
daß die Bezeichnung "scharfes S" für das Eszett unsinnig
ist, da auch ein 's' ein "scharfes S" sein kann, von daher
ist die _Wortwahl_ irreführend.

-- 
Polytropon
Magdeburg, Germany
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Received on Sat 22 Mar 2014 - 14:06:24 CET

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