Re: Dokumentenarchiv

From: Oliver Fromme <oliver(at)fromme.com>
Date: Tue, 13 Mar 2018 11:00:24 +0100 (CET)

Polytropon wrote:
> On Mon, 12 Mar 2018 11:35:28 +0100 (CET), Oliver Fromme wrote:
> > Damit digitale Dokumente vom Finanzamt anerkannt werden,
> > müssen sie eine qualifizierte elektronische Signatur gemäß
> > Vertrauensdienstegesetz (VDG, ehemals Signaturgesetz SigG)
> > haben. Zur Erstellung solcher Signaturen ist spezielle
> > (kommerzielle) Soft- und Hardware notwendig, und man muss
> > ein Zertifikat (oder mehrere) von einem akkreditierten
> > Zertifizierungsdienstanbieter (ZDA) erwerben; diese werden
> > von der Bundesnetzagentur verwaltet.
>
> Ja. Beim Software-Zertifikat ist das nur eine Datei, es ist
> keine weitere Hardware erforderlich.

In dem Fall kannst Du aber keine qualifizierten elektronischen
Signaturen erstellen, sondern nur „einfache“ Signaturen.

Für qualifizierte elektronische Signaturen hat der Gesetzgeber
bewusst strenge technische Anforderungen definiert, da diese
juristisch einer eigenhändigen Unterschrift gleichgestellt
sind (§ 126a BGB), mit allen Rechten und Pflichten, die sich
daraus ergeben. Auch vor Gericht haben solche Dokumente die
gleiche Beweiskraft wie Papier (§ 371a ZPO).

Theoretisch könnten diese Anforderungen auch von einer reinen
Softwarelösung erfüllt werden, aber in der Praxis wird nur
Hardware zertifiziert, weil es dabei erheblich einfacher ist,
die Integrität des Signaturschlüssels zu gewährleisten. Dabei
handelt es sich um spezielle Prozessor-Chipkarten, die ein
Klasse-3-Kartenlesegerät erfordern. Es gibt auch USB-Stöpsel
(mit kleinem Display und Ziffern-Tasten), bei denen quasi die
Chipkarte und das Lesegerät fest miteinander integriert sind.

Übrigens, der Fachbegriff hierfür ist SSEE („sichere Signatur-
erstellungseinheit“).

Bei der BNetzA gibt es eine kleine FAQ zu dem Thema:
https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Service-Funktionen/ElektronischeVertrauensdienste/FAQ/_functions/faq_QES-table.html

Wikipedia ist leider nur bedingt empfehlenswert, da sich die
Artikel dort überwiegend noch auf das Signaturgesetz (SigG)
beziehen, das es aber seit letztem Jahr nicht mehr gibt.

> Gewisse Zertifikate scheinen sich auch im Gebrauch zu
> verändern, der Benutzer muß sie regelmäßig sichern (aus
> dem Programm heraus).

Da ist mir jetzt unklar, was Du meinst. Ein Zertifikat ändert
sich nicht. Im Gegenteil: Sobald sich irgendetwas daran
ändert, wird es ungültig.

> > Open Source Software gibt es dafür leider nicht. Ob es
> > kommerzielle Produkte gibt, die unter Linux laufen (und
> > dann evtl. auch unter dem Linuxulator von FreeBSD), weiß
> > ich nicht, aber ich bezweifle es.
>
> Ich finde es eine absolute Frechheit, daß der Staat hier
> erzwingt, daß proprietäre, d. h. für kein Audit und keine
> Inspektion durch die Betroffenen, nur kommerziell verfügbare
> Systeme genutzt werden können, um mit den staatlichen Stellen
> digital kommunizieren zu können - und das Ganze natürlich
> ausschließlich auf Basis von "Windows" (besonders sicher!).
> Import, Export, Kommunikation mit Zusatzprogrammen? Is nich!
> Gips nich! Hier, kaufen Sie lieber was von UNS!

„Der Staat“ hat sich natürlich nicht auf Windows festgelegt.
Theoretisch ist es durchaus möglich, dass jemand eine Software
für Linux / BSD schreibt und zertifizieren lässt, die mit der
o. g. Hardware in geeigneter Weise kommuniziert. Vielleicht
gibt es sowas sogar und ich weiß es nur nicht?

Vielleicht läuft entsprechende Windows-Software auch mit WINE
unter Linux / BSD. Nicht dass das eine besonders schöne
Lösung wäre, aber besser als nichts.

Gruß
 ― Olli

-- 
Oliver Fromme, München   --   FreeBSD + DragonFly BSD
``We are all but compressed light'' - Albert Einstein
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Received on Tue 13 Mar 2018 - 11:00:30 CET

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