Fragen zu Ungereimtheiten mit FreeBSD 7.0 und anhängiger Software

From: Polytropon <freebsd(at)edvax.de>
Date: Tue, 15 Jul 2008 03:35:45 +0200

Liebe Liste,

bevor ich zu näheren Ausführungen komme, meine Frage gleich
vorweg, denn das ist hier de-bsd-QUESTIONS(at)de.freebsd.org:

        Muß das so sein?

Diese Frage wird verbunden mit der Anfrage, ob irgend jemand
sonst diese Dinge auch bemerkt hat oder vielleicht Behebungs-
möglichkeiten kennt, und ist gern im Zusammenhang mit jeglicher
Schilderung zu sehen. Vielleicht ist es aber auch alles eine
ganz natürliche Entwicklung...?

Mein Rechner ist zugegebenermaßen nicht mehr der neuste, aber
unter 5.x war das Teil eine Rakete. Das mag man sich ange-
sichts der folgenden Beschreibung kaum vorstellen, aber es
war wirklich so:

        Board mit Intel-Chipsatz
        Intel Pentium 4, 2000 MHz
        768 MB SDR-SDRAM
        ATI Radeon 9000/9000 Pro RV250
        3C905-TX Fast Etherlink 10/100 PCI TX NIC
        C-Media CMI8738/PCI C3DX

Da die Kiste tadellos funktioniert, gedenke ich auch nicht, mir
was neues zu kaufen, weder mein Gehalt noch meine moralischen
Vostellungen würden einen solchen Schritt rechtfertigen. :-)

Bisher hatte ich FreeBSD 5.x, und nur durch einen Datenkollaps
(zu dessen Behebung ich ggf. nochmal gesondert vortragen darf)
war ich gezwungen, diese Umgebung zu verlassen und mich dem
neuen FreeBSD 7.0 zu widmen (wenngleich ich schon Testsysteme
mit 6.x und 7.x hatte, aber nie zu ernsthaftem Gebrauch). Es
hat sich viel verändert. Hier meine Eindrücke:

Urplötzlich erkennt der Kern (bzw. dessen USB-Subsystem) die
Sun-Hardware nicht mehr mit ihrem Namen. Bei 5.x und 6.x ging
das noch tadellos und auch sofort:

        ums0: Sun Microsystems Type 6 USB mouse, rev 1.00/1.02,
                addr 2, iclass 3/1
        ums0: 3 buttons
        ukbd0: Sun Microsystems Type 6 USB keyboard, rev 1.00/1.02,
                addr 3, iclass 3/1
        kbd1 at ukbd0

Jetzt wird die Tastatur sogar erst ca. 10 Sekunden nach dem
kompletten Systemhochlauf erkannt, aber die Modelldaten sind
nicht mehr da:

        ums0: <vendor 0x0430 product 0x0100, class 0/0, rev 1.00/1.02,
                addr 2> on uhub1
        ums0: 3 buttons.
        ukbd0: <vendor 0x0430 product 0x0005, class 0/0, rev 1.00/1.02,
                addr 3> on uhub1
        kbd1 at ukbd0

In der Datei /usr/src/sys/dev/usb/usbdevs stehen die richtigen
Einträge aber drin.

In Deutschland hat man ja auch gern deutsche Tastaturunter-
stützung. Dies ist auch der Fall, wenn man mal im SUM unter-
wegs sein sollte, daher die folgenden Einstellungen für den
selbstgebauten Kernel (mache ich immer gern, nur die Hard-
wareunterstützung rein, die wirklich gebraucht wird):

        options ATKBD_DFLT_KEYMAP
        makeoptions ATKBD_DFLT_KEYMAP=german.iso
        options UKBD_DFLT_KEYMAP
        makeoptions UKBD_DFLT_KEYMAP=german.iso
        options SC_DFLT_FONT
        makeoptions SC_DFLT_FONT=iso

Allerdings bleiben sie ohne Effekt.

Das neue X.org ist katastrophal. Zunächst braucht es für den
Start (Systemhochlauf, anschl. xdm oder automatisches Login
als Standardbenutzer) etwa 10 Sekunden. Das ist für den Moni-
tor genug, sich mit "no signal" für ein paar Sekunden zu ver-
abschieden. Meine bisherigen Vorstellungen, daß man, wenn man
schon einen 21"-Monitor hat, sich auch an 1400x1050 erfreuen
können sollte, werden enttäuscht, es ist nur noch 1152x864
möglich, auch mit Zwangsmitteln (PreferredMode und Modeline)
ist nichts machbar, da bleibt dann sogar der Rechner stehen.
FreeBSD 5.x + XFree86 4.3 hat 1400x1050 in 2 Sekunden geschafft,
aber FreeBSD 7.x + X.org 7.3_1 mit xorg-server 1.4_4,1 kann
nur noch 1152x864 und braucht dafür 10 Sekunden - was für ein
Fortschritt. Einen Interaktionsbonus gibts noch, wenn man von
X auf eine Textmoduskonsole umschaltet (Ctrl-Alt-PF1) und dann
wieder zurück (Alt-PF9), da geht nämlich die Num-Lock-LED aus.
Und sollte man gerade Opera offen haben, dann erscheint auf
einmal das Kontextmenü, so als habe man die rechte Maustaste
gedrückt. Wenn man gerade ein X-Terminal auf hat, so wird in
ihm der Inhalt des Editierpuffers ausgegeben, entsprechend
einem Druck auf die mittlere Maustaste. Sehr unangenehm, wenn
da mehrzeiliger Text drin war. Auch mißfällt, daß von der
Standardeinstellung, die Komma-Taste im numerischen Block der
Tastatur mit dem Punkt zu belegen, Abstand genommen worden ist.
Man stelle sich vor, wie unangenehm es nun ist, IP-Nummern oder
Dezimaldaten einzugeben (sicher ist mit xmodmap eine Rück-
gewinnung der ursprünglichen Belegung denkbar).

Gimp braucht jetzt mehr als 20 Sekunden zum Start und reagiert
auch dann nur sehr langsam. Ein Rechtsklick, der das Menü her-
vorbringen soll, wird gefolgt von 3 Sekunden Wartezeit. Wenn
man etwas drucken will, beschwert sich lpstat (offenbar ein
Teil von CUPS, was soll ich damit?), daß keine Verbindung zum
Server bestünde. Sollte man es dann wagen, etwas drucken zu
wollen, füllen sich Systemkonsole und Systemlog mit Meldungen,
abwechselnd und in einer Menge, daß dmesg "umkippt" und dauernd
eine neue messages-Datei angelegt werden muß:

        lpt0: [GIANT-LOCKED]
        lpt0: [ITHREAD]

Der Asudruck erfolgt jedoch. Und der Datei-Öffnen-Dialog nimmt fast
den ganzen Bildschirm (s.o.) ein; ich möchte nicht wissen, wie
der bei 800x600 aussehen soll. In ihm fehlt auch eine beque-
me Möglichkeit, ".." zu machen, bisher war ".." Teil der
Verzeichnisliste, jetzt muß man mit der Maus ganz schön viel
Weg zurücklegen.

Den Vogel schießt allerdings Opera 9 ab. Bisher mein allerliebster
Lieblingsbrowser, hat sich Opera mittlerweile zu einer Quelle
steten Genervtseins entwickelt, weil es soooo lahmarschig gewor-
den ist. Es produziert sogar Systemlasten von bis zu 100%, dann
geht nix mehr. Opera 7 auf 5.x brachte es maximal zu 30%, egal,
wieviele Tabs man aufgemacht hat. Sehr unangenehm ist auch die
scheinbar immer mehr um sich greifende Angewohnheit, daß jedes
Programm seine eigenen Mauszeiger mitbringen müsse. Wenn Opera
Seiten lädt, wird der Mauszeiger weiß (pfui) mit einer Sanduhr
dran (doppelpfui), wie sieht denn das aus?! Ach ja, und Gimp
ist mit der Mauszeigerwahl auch nicht derade ein Vorbild.

Ich stelle fest, daß ich mich meistens mit Firefox durch das
WWW bewege. Mit fehlen zwar die Mausgesten (kann man aber wohl
nachinstallieren) sowie einige Konfigurationsfeinheiten, aber
Firefox ist schneller als Opera ("gefühlte Schnelligkeit") und
kann auch bessere Ausdrucke erstellen. Nur das Drucken im
Duplexverfahren (beidseitig) funktioniert nicht, der Drucker
ist ein HP Laserjet 4000 mit Duplexer. Und Firefox scheint eine
Tastenkombination zum Beenden (Ctrl-Q beispielsweise) zu fehlen,
insgesamt ist die Tastaturunterstützung nicht so schön wie bei
Opera (Navigation, Adreßeingabe, Lesezeichen).

Und versuche mal einer, mplayer zu compilieren (gmencoder,
gmplayer, mencoder, mplayer). Das hängt sich an libgiofam.so
auf, soweit ich sehe, ein Teil des Gnome- bzw. Gtk2-Ratten-
schwanzes. Unangenehm bei mplayer ist auch, daß die Spulkon-
trolle sich merkwürdig verhält. Mal angenommen, man befindet
sich am Anfang eines Films und drückt die Cursor-rechts-Taste.
Dann wird aus dem Laufbalken

        [||--------------]

entsprechend dem Fortschritt

        [||||||||||------]

gleichzeitig sieht man, wie der Film vorspult, meist gepaart
mit glucksenden Tonfragmenten. So kennt man das, so ist es in
Ordnung. Jetzt ist es aber anders: Der Film wird zwar vorge-
spult, man hört es, aber der Verlaufsbalken bleibt bei seiner
ursprünglichen Position stehen, das Bild auch. Und die mit
der Taste "o" zuschaltbare Zeitanzeige ist auch weg.

Selbst XMMS scheint nicht mehr so richtig zu funktionieren.
Wenn ich das xmms-Fenster anfasse und es über den Bildschirm
schleife, ergibt sich eine Differenz zwischen Mausbewegung und
Bewegung auf dem Bildschirn, d. h. selbst wenn die Maus nach
einem wilden Rodeo stillsteht, wuselt das xmms-Fenster noch rum
und kommt erst später zum Stehen.

Der Midnight Commander war bisher mein wichtigstes Werkzeug
zur Dateiadministration, auch sein syntaxhervorhebungsfähiger
Editor war auch sehr angenehm. Selbst als "Dateimanager", in
einem X-Terminal sitzend und in mc.ext mit den entsprechenden
Dateiverknüpfungen zum Öffnen von Dateien ausgestattet, machte
er ersts eine gute Figur. Doch immer häufiger läßt er sich für
gewisse Zeit nicht starten, die Meldung lautet:

        read (subshell_pty...): No such file or directory (2)

Komischerweise geht es dann manchmal nach einiger Zeit wieder.
Aber gut, wenn man in der Zwischenzeit mit der C-Shell umgehen
kann. :-)

Unter Rückgriff auf die erwähnte mc.ext kommt ein "alter Be-
kannter" zum Vorschein, immer dann, wenn man auf eine Datei
Enter drückt, z. B. eine MP3-Datei, die xmms aufruft, oder
eine DVI-Datei, die xdvi aufruft: Die Num-Lock-LED geht aus.
Man muß dann zweimal (!) Num drücken, damit sie wieder angeht.

Und auch fetchmail hat sich unangenehm verändert. Rufe ich
meine E-Mails ab, werde ich durch die folgende Meldung erfreut:

        fetchmail: Server certificate verification error:
                unable to get local issuer certificate
        fetchmail: Server certificate verification error:
                certificate not trusted
        fetchmail: Server certificate verification error:
                unable to verify the first certificate

Und Sylpheed, mein bevorzugter E-Mail-Klient, hat auch eins
mit der erwähnten Gtk2-Klatsche übergebraten gekriegt, was
dazu geführt hat, daß es größer geworden ist (hinsichtlich
des Konsums von Bildschirmplatz) und langsamer. Da kommt
kaum noch Freude auf.

Natürlich weiß ich, daß dies bis auf wenige Darstellungen keine
Dinge sind, die FreeBSD als Betriebssystem betreffen. Dennoch
wünsche ich mir mein 5.x-System zurück, da alles, was hier
bemängelt worden ist, dort tadellos funktioniert hatte.

Zur Verteidigung von FreeBSD ansich ist zu sagen, daß es durch
das neue Release 7.0 wieder einen echten Geschwindigkeitsbonus
gegeben hat - das System fährt noch viel schneller hoch. Aller-
dings wird das gleich von der Lahmarschigkeit anderer Software
(X.org genügt) aufgefressen. Schade eigentlich. Vorerst aber
bleibt FreeBSD mein Haupt- und Lieblingssystem.

Bisher konnte man immer sagen: Wenn die Hardware gleich bleibt
und ein neues FreeBSD herauskommt, dann läuft alles schneller.
(In der "Windows"-Welt kenn man eher das Gegenteil: Mit jeder
neuen Version wird die bestehende Hardware unbenutzbar und muß
durch neue ersetzt werden, um dann eine meist dennoch geringere
Arbeitsgeschwindigkeit zu erzielen.) Ich definiere das formal
einfach mal so als Quotient:

  Ressourcen durch Hardware
---------------------------- = Nutzungsgeschwindigkeit
Anforderungen durch Software

Zugegeben, das ist sehr vereinfacht, aber man sieht leicht, was
passiert, wenn man Zähler oder Nenner dieser Gleichung vergrößert
oder verkleinert. FreeBSD hatte wie gesagt den willkommenen Effekt,
daß der Nenner kleiner zu werden schien, die Geschwindigkeit also
immer stieg, je weiter sich das System entwickelte.

Puh... langsam kann ich nachvollziehen, warum so viele Leute
über Linux schimpfen, wo sie trotz Quadcore-Prozessoren mit
Millionen Gigahertz und tonnenweise RAM Probleme mit "stockender
MP3-Wiedergabe" und "ruckeligem Video-Playback" haben.

Dabei habe ich hier noch eine 300MHz- und 150MHz-Maschine stehen,
die ich mal neu aufziehen wollte. Das traue ich mir mittlerweile
gar nicht mehr zu, das kann ja nur noch schlimmer werden! Ach,
und wo ich es gerade erwähne: Der 300MHz-Kasten hat eine schnellere
Arbeitsgeschwindigkeit als mein 2000MHz-System. Und selbst auf
der 150MHz-Kiste, zu Zeiten von FreeBSD 4 und Opera 5, gab es
nie solche Schleppereien. Komisch, was?

So, nun habe ich mich erstmal ausgeheult. :-) Falls jemand
Korrekturvorschläge oder sonstige Kommentar hat, nur zu, sie
sind mir stets willkommen.

-- 
Polytropon
Happy FreeBSD user since 4.0
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Received on Tue 15 Jul 2008 - 03:37:21 CEST

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