> Hallo!
Moinmoin!
> Ich habe mal was von FreeBSD geh=F6rt, und habe mich mal
> in die Mailingliste eingetragen.
> Jetzt wollte ich aber mal genau wissen, f=FCr was FreeBSD geeignet
> ist. Kann mir das jemand kurz und korrekt sagen, wof=FCr ich
> FreeBSD benutzen kann.
Die Frage ist eigentlich zu allgemein, da kann man nicht so viel drauf
sagen. Aber wenn ich jetzt nicht angestrengt an irgendwas tippe, wird
mein Chef mich zu irgendeiner Besprechung abziehen, ich versuche es
mal.
FreeBSD eignet sich:
1) (Gilt fuer alle Unix-Derivate)
Ganz generall, um Unix-Programme laufen zu lassen, also Programme, die
Systemfunktionalitaet benutzen, die in Unix vorhanden ist und nicht
auf ein DOS-, Mac-, oder Windows-API angewiesen sind. Und die Du
entweder im Sourcecode bekommst oder als fertig compiliertes Binary
fuer FreeBSD, Linux oder SCO.
In der Praxis sind das Programme, die eine gemeinsame Eigenschaft
haben. Zwei Kernkriterien sind bei einem Programmdesign immer im
Spiel: 1) Leichter Einstieg fuer Anfaenger und 2) Dem
fortgeschrittenen User die Moeglichkeit bieten, mit zunehmender
Erfahrung immer effektiver mit dem Programm arbeiten zu koennen und
vor allem durch Kopplung mit anderen Programmen noch
leistungsfaehigere Systeme zu schaffen.
Wenn diese beiden Punkte im Wiederspruch stehen (was sie nicht immer
tun), dann tendieren viele Unix-Tools - und insbesondere freie
Unix-Software - immer zur 2), waehrend kommerzielle Software auf
Plattformen fuer geistig minderbemittelte naturgemaess zu 1)
tendiert. Das liegt einfach daran, dass freie Unix-Software von den
Autoren fast immer auch zur eigenen Verwendung programmiert wird. Fuer
Ihr eigenes Werkzeug in einem Anwendungsbereich, wo sie sich
auskennen, wollen sie natuerlich die maximale Power und sie
beschaeftigen sich genug mit der Problemfeld und der Software, dass
der Einarbeitungsaufwand kein Thema ist.
Will sagen: Unix im allgemeinen und freie Unixe im speziellen sind
dann eine bessere Alternative zu Windows und Mac, wenn man selbst der
Meinung ist, dass Software dazu dient, mit moeglichst wenig Arbeit
reinstecken moeglichst viel rauszukriegen und das es sich bei guter
Software rentiert, relativ viel Einarbeitungsaufwand zu investieren.
FreeBSD im speziellen hat hier gegenueber anderen Unix-Derivaten den
Vorteil der Packages/Ports, die den Installationsaufwand fuer neue
Software auf ein Minimum reduzieren und fool-proof machen. Es reicht,
wenn man die Anwendung einer Software verstehen muss, bei der
Installation kann Einfachheit nicht schaden, sonst wird's
nervig. Ausserdem fixen die Ports einige Probleme und machen eine
Reihe von sinnvollen Vereinheitlichungen, z.B., was die Orte von
Programmfiles, Documentation, Logfiles etc. angeht.
2) FreeBSD bietet Dir die klassische Unix-Toolchain (die ganzen
zwei-Buchstaben-Befehle und das dutzend kleiner Spezialsprachen) in
einer sehr sauberen, aufeinander abgestimmten Zusammenstellung. NetBSD
tut das auch (teilweise noch sauberer), bei Linux sind die Tools
teilweise zu aufgeblasen und nicht aufeinander abgestimmt, aus
zuvielen Quellen zusammengewuerfelt. Bei Solaris (oder allgemein
System V -Varianten) sind die nicht so elegant.
3) Fuer (Inter-) Netzwerkerei ist FreeBSD sich meiner Meinung nach
sehr gut geeignet. Vorausgesetzt, Du bekommst die Treiber fuer die
gewuenschte Hardware und die Serversoftware fuer Deine benoetigten
Dienste, was fuer mich aber nie ein Problem war.
- das TCP-IP und (die meisten) Treiber sind sehr schnell - die gesamte
Armada von im Source erhaeltlicher Serversoftware laeuft
ohne Probleme und ist als Port/Package zu kriegen, was den
Installationsaufwand minimiert. Man kann jeden alten Schrammel-486
zu einem Server machen, der eine ISDN-Leitung mit allen
Internet-Services dichtmachen kann und an dem man gleichzeitig noch
was tun kann.
- sehr gut fernadministrierbar, weil die ganze Konfiguration von
Ascii-files aus erledigt wird. Das editieren solcher Files kriegt
man auch ueber die schlechteste Internetverbindung und auch bei
direktem Modemzugang ohne IP hin. Ausserdem hat man eine serielle
Console, wodurch das System auch dann noch fernadminstrierbar ist,
wenn man die Startprozedur versaut hat und das System nicht mehr
ganz hochlaeuft (obwohl Workstations mit echtem Bootloader, der auch
seriell bedient werden kann, die Nase vorn hat, weil man dann auch
den Kernel versauen kann und das System remote wieder hochkriegt).
4) Ganz generell als stabiles System, weil:
- crasht nicht sehr oft, einen FreeBSD-Kernel abzuschiessen (so dass
die ganze Maschine neu gestartet werden muss) ist nicht ganz
einfach. Wenn man sich auf sehr stabile Systemkomponenten
beschraenkt (z.B. NFS vermeidet), noch schwerer.
- die ganze Konfiguration, der Bootvorgang und aehnliches sind einfach
genug, dass man sie als Normalsterblicher verstehen kann. Man
bekommt ein beschaedigtes oder evtl. verkonfiguriertes System immer
wieder hoch, ohne neu installieren zu muessen. Das kann man auf
Systemen mit GUI-Admin-Tools, die die Daten in speziellen Binaerfiles
anlegen, vergessen. Von Systemen, die nicht mal genug Documentation
in dem Bereich haben, nicht zu reden. Bei FreeBSD zaehlt der Source
als Docu :-)
- Im Vergeich zu einem nicht naeher zu benennenden System namens
Windows NT muss man nicht wegen jeder Kleinigkeit rebooten.
5) Wenn man das System unter sehr hoher Last betreiben will, ist
FreeBSD sehr gut geeignet, weil:
- das VM (Virtual Memory) - System ist unter hoher Last das
schnellste, was mir je untergekommen ist (kommerzielle Unixe und NT
eingeschlossen).
- Es gibt eine Reihe von Hardwarekomponenten, fuer die FreeBSD
ueberragende Treiber hat. Wenn man bereit ist, seine Hardware fuer
FreeBSD auszusuchen, dann ist es viel wichtiger, wenige sehr gute
Treiber zu haben, als schlappe Treiber fuer jede Misthardware.
- Das System kann beweisbar (ftp.cdrom.com) auch in der Praxis sehr
viele User/prozesse ab. Das ist eigentlich der wichtigste Punkt, die
ganze Theorie mit Hochleistungs-(software-) Komponenten nuetzt gar
nix, wenn's nicht zusammenpasst.
6) Wenn man bereit ist, die Zeit zum verstehen des Systems zu
investieren, dann oeffnet sich einem die ganze Welt des selbstaenderns
von Sachen, die man anders haben will und - sehr wichtig - der
Diskussion dieser Angelegenheiten mit Leuten, die das System schreiben
und mit einem diskutieren, welche Vor-und Nachteile die eigenen
Vorstellungen haben.
Natuerlich ist es erst mal ein ziemlicher Aufwand, genug C zu lernen,
die beteiligten Werkzeuge zu verstehen und sich am Riemen zu reissen,
selbst Sachen zu erarbeiten als immer um Hilfe zu schreien (sonst
kommt man nicht voran). Wenn man das aber will, dann ist FreeBSD das
beste derzeit erhaeltliche System, weil:
- man kriegt Sourcecode, mit History
- das ganze System kommt (im Gegensatz zu Linux) aus einer Quelle, von
einem Entwicklunsgteam, das einem weiterhelfen kann.
- es gibt eine sehr breite Basis von Leuten, die FreeBSD sehr gut
verstehen und die noch Spass dran haben, auch etwas duemmere Fragen
(die sich nicht vermeiden lassen) zu beantworten. Bei NetBSD sind
das weniger Leute, bei Linux gibt's zuviele Pappnasen, die falsche
Antworten geben und Anworten muessen nicht zur eigenen Distribution
passen.
Um mal von meinen persoenlich Anspruechen auszugehen: Ich will ein
System, dass 100% funktioniert. Und ich meine wirklich 100%. Ich bin
bereit, mit wenigen Treibern zu leben (sprich: Ich bin bereit, neue
Hardware zu kaufen, um besseren funktionierende Software zu
kriegen). Ich brauche nicht sehr viele Features, ich brauche
eigentlich nur einen Kernel mit den ueblichen Systemcalls, einen
C-Compiler mit Standard Unix/C-Library und eine shell mit den
2-Buchstaben-Befehlen. Wenn ich schon mit wenigen
(Software-)Komponenten leben kann, dann kannn es ja wohl nicht zuviel
verlangt sein, dass die auch 100% funktionieren.
Jeder weiss - natuerlich ist das zuviel verlangt, kein System erfuellt
das. Die Frage ist, mit welchem OS komme ich am dichtesten heran?
FreeBSD und NetBSD sind vom Ihrem eigenen Philosophy (lieber wenige
gute Sachen als viele halbe Sachen) am ehesten dran und handeln auch
danach. Linux tut zuviel zu unsauber. Die ganzen kommerziellen Sachen
sind von den Anspruechen der pappnasigen anderen Kaeufer voellig
versaut.
Wenn ich schon kein 100%-System kriege, dann muss ich aber auf jeden
Fall in der Lage sein, selbst Sachen zu fixen. Dazu gehoeren drei
Dinge:
- Sourcecode a) vorhanden b) verstehbar c) CVS history ist sehr
nuetzlich
- Ich brauche Leute, die mir Fragen beantworten koennen, ich bin eben
doch nicht schlau genug, alles selbst hinzukriegen. Bei FreeBSD habe
ich derzeit den groessten Pool an Leuten, die hilfsbereit (und
-faehig!) sind, gemessen an meinem derzeitigen eigenen Wissenstand und
Hilfebeduerfnissen.
NetBSD ist fuer mich eine ernste Alternative zu FreeBSD, weil es
teilweise noch dichter an die 100% Korrektheit herankommt. Aber es
gibt nicht so viele Leute, keine oeffentliche CVS-history und die
Performance stimmt in einigen Bereichen nicht. Siehe meine Homepage
fuer einen ausfuehrlicheren Vergleich.
OpenBSD habe ich noch nicht probiert.
Ich hoffe, das hilft. Ich bitte um Kommentare, ich will eine Webbapge
draus machen :-)
Siehe auch http://www.cons.org/cracauer/sehr_witzig.html
Martin
-- %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% Martin Cracauer <cracauer(at)wavehh.hanse.de> http://cracauer.cons.org Fax +49 40 522 85 36Received on Sat 12 Jul 1997 - 09:11:49 CEST